Fear and Greed Index

Den Fear and Greed Index verstehen - Welche Emotion treibt den Markt an?

Christian Thiel

Karsten Kagels

28. Januar 2023

Be fearful when others are gready, and greedy when others are fearful. Diesen Ratschlag von Warren Buffett kennen viele. Welche Emotionen gerade die Marktteilnehmer beherrschen, wissen schon weniger. Der Fear and Greed Index ist ein wichtiges Instrument, um die Stimmung am Markt zu messen. 

Der Index wird mithilfe verschiedener Faktoren berechnet. Dazu zählen das Volumen der Handelsaktivitäten, die Preisentwicklungen und die Bewegungen des VIX-Volatilitätsindexes am US-Aktienmarkt. 

CNN Business veröffentlicht tagesaktuell den derzeitigen Stand des Index. Er zeigt, ob die Anleger im Schnitt gerade ängstlich oder gierig sind und kann Dir so helfen, die richtigen Entscheidungen am Kapitalmarkt zu treffen.

Der beliebte Fear and Greed Index findet weltweit große Beachtung und gibt einen Überblick über die aktuell vorherrschende Emotion am Markt. Erstellt wird der Index vom US-amerikanischen Fernsehsender CNN Business. Wenn Sie mehr über den Fear and Greed Index wissen möchten oder den aktuellen Stand prüfen möchten, dann klicken Sie bitte hier:

Am 27.01.2023 lag der Fear and Greed Index bei 69 und somit im gierigen Bereich.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Die Grafik zeigt die extremen Schwankungen des Fear and Greed Index im Zeitverlauf.

Angst & Gier im Trading (Der Fear and Greed Index)

Bekannterweise werden Investoren von zwei Emotionen getrieben:

  • Angst (Fear)
  • Gier (Greed)

Diese Emotionen haben einen markanten Einfluss auf die Börsenkurse. Denn zu viel Angst kann die Aktien weltweit unter das Niveau sinken lassen, auf dem sie sich aus fundamentaler bzw. wirtschaftlicher Sicht befinden sollten. Bei der Gier ist genau das Gegenteil der Fall. Die Gier führt dazu, dass die Aktienkurse zu weit nach oben getrieben werden.

Diese zwei treibenden Emotionen werden auf einer Skala von 0 (extreme Furcht) bis 100 (extreme Gier) tagesaktuell dargestellt.

Man kann das ganze auch als einen Kreislauf verschiedener Marktphasen darstellen. Diese Phasen wiederholen sich regelmäßig.

Mit steigenden Kursen und entsprechenden Trendbewegungen entsteht die Gier, welche dafür sorgt, dass die Kurse weiter steigen. Denn der „normale“ Zustand ändert sich so und die Anleger werden mutiger. Dem Mut folgt die Euphorie und jeder möchte möglichst viel vom Kuchen abhaben. Wir befinden uns hiermit in der Endphase der Trendbewegung. Selbst unser Nachbar hat hier nochmal seine Position aufgestockt. Doch dann folgt die Enttäuschung. Der Trend setzt sich nicht fort und es folgen die ersten Abverkäufe. Sobald sich diese beschleunigen, setzt die Angst ein und am Tiefpunkt folgt der Pessimismus. Hier haben oftmals auch die letzten wieder Ihre Aktien verkauft. Doch dann beginnt der Kreislauf wieder von vorne…

Die Berechnung des Fear and Greed Index

Der Fear and Greed Index wird aus 7 Indikatoren berechnet.

Für jeden Indikator wird untersucht, wie weit dieser von seinem Durchschnitt abweicht. Dies wird dann im Vergleich dazu gesetzt, wie weit dieser normalerweise vom Durchschnitt abweicht. Jeder Indikator wird hier auf einer Skala von 0 bis 100 betrachtet. Je höher der Wert, desto gieriger sind die Investoren. Ein Wert von 50 ist neutral.

Dann werden alle Indikatoren zusammengefügt, gleich gewichtet und daraus ein abschließender Indexwert ermittelt.

Diese 7 Indikatoren sind folgende:

  • Put and Call Options
  • Market Volatility
  • Stock Price Strength
  • Safe Haven Demand
  • Market Momentum
  • Stock Price Breadth
  • Junk Bond Demand

Put and Call Options – Das Put/Call Verhältnis

Bei diesem Indikator wird das Handelsvolumen von Verkaufsoptionen (Put) mit dem Handelsvolumen von Kaufoptionen (Call) verglichen. Dieser gibt somit das Verhältnis von gehandelten Verkaufsoptionen zu Kaufoptionen an.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Das Put/Call Verhältnis

Optionen sind Verträge, die Anlegern das Recht geben, Aktien, Indizes oder andere Finanztitel zu einem vereinbarten Preis und Datum zu kaufen oder zu verkaufen.

Puts sind die Option zum Verkauf, während Calls die Option zum Kauf sind. Wenn das Verhältnis von Puts zu Calls steigt, ist dies in der Regel ein Zeichen dafür, dass die Anleger nervöser werden. Ein Verhältnis von über 1 gilt als bärisch. Der Fear & Greed Index verwendet ein bärisches Optionsverhältnis als Signal für Furcht.

Die Historie des Put/Call Ratio lässt sich hier einsehen: Put/Call Ratio Historie

Market Volatility - Die Marktvolatilität

Dieser Indikator misst die Schwankungsbreite bzw. Volatilität des Marktes. Hierfür wird der Volatility Index (VIX) genutzt, welcher die erwartete Schwankungsbreite des US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 anzeigt.

In Deutschland wird zur Messung der Volatilität der VDAX genutzt. Der DAX-Volatilitätsindex (VDAX) drückt die vom Terminmarkt erwartete Schwankungsbreite des Aktienindex DAX aus.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

VIX und sein 50 Tage Gleitender Durchschnitt

Das bekannteste Maß für die Marktstimmung ist der CBOE-Volatilitätsindex (VIX).

Der VIX misst die erwarteten Kursschwankungen bzw. die Volatilität der Optionen auf den S&P 500 Index in den nächsten 30 Tagen. Der VIX sinkt häufig an Tagen, an denen der breite Markt anzieht, und steigt, wenn die Aktienkurse fallen.

Entscheidend ist jedoch, den VIX im Zeitverlauf zu betrachten. In Haussemärkten ist er tendenziell niedriger und höher, wenn die Bären die Kontrolle haben. Der Fear & Greed Index nutzt die zunehmende Marktvolatilität als Signal für Furcht.

Stock Price Strength - Die Aktienmarktstärke

Die Aktienmarktstärke gibt das Verhältnis der Aktien an, die an der New Yorker Börse (NYSE) neue 52 Wochenhoch- und Tiefs erreichen.

Auch dieser Indikator deutet zurzeit auf eine extreme Gier hin. Denn die Zahl der Aktien, die ein frisches 52-Wochenhoch erreicht haben, übersteigt die Zahl der Tiefststände. 

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Netto-Verhältnis von neuen 52-Wochen-Hochs und -Tiefs an der NYSE

Einige wenige große Aktien können die Rendite des Marktes verzerren. Es ist auch wichtig zu wissen, wie viele Aktien sich gut entwickeln und wie viele sich abmühen. Dies zeigt die Anzahl der Aktien an der NYSE mit 52-Wochen-Hochs im Vergleich zu denen mit 52-Wochen-Tiefs. Wenn es viel mehr Höchststände als Tiefststände gibt, ist das ein bullisches Zeichen und signalisiert Gier.

Safe Haven Demand - Die Nachfrage nach sicheren Häfen

Hier wird die Differenz zwischen den Renditen von Aktien und Staatsanleihen berechnet.

Die Aktien haben sich in den letzten 20 Handelstagen um 2,92 Prozentpunkte besser als Anleihen entwickelt. Dies deutet auf eine leicht optimistische Aussicht der Investoren hin.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Die Differenz zwischen der Performance von Aktien und Anleihen

Aktien sind risikoreicher als Anleihen. Aber die Belohnung für Investitionen in Aktien ist auf lange Sicht größer. Dennoch können Anleihen in kurzen Zeiträumen besser abschneiden als Aktien. Die Safe-Haven-Nachfrage zeigt den Unterschied zwischen den Renditen von Staatsanleihen und Aktien in den letzten 20 Handelstagen. Anleihen schneiden besser ab, wenn die Anleger verängstigt sind. Der Fear & Greed Index verwendet die steigende Nachfrage nach sicheren Häfen als Signal für Fear.

Market Momentum - Das Momentum des Marktes

Hier wird das Momentum der Aktienkurse aus dem S&P 500 Index (SPX) gegenüber seinem gleitenden 125-Tage Durchschnitt gemessen.

Aktuell liegt der S&P 500 etwas über seinem 125-Tage Durchschnitt, sodass dieser Faktor noch als neutral gewertet wird.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Der S&P 500 und sein 125 Tagesdurchschnitt

Es ist sinnvoll, den aktuellen Kurs der Aktienmärkte mit dem Stand der letzten Monate zu vergleichen. Wenn der S&P 500 über seinem gleitenden Durchschnitt der letzten 125 Handelstage liegt, ist das ein Zeichen für eine positive Dynamik. Wenn der Index jedoch unter diesem Durchschnitt liegt, zeigt dies, dass die Anleger nervös werden. Der Fear & Greed Index verwendet ein nachlassendes Momentum als Signal für Fear und ein wachsendes Momentum für Greed.

Stock Price Breadth - Die Aktienkursbreite

Dieser Indikator gibt das Verhältnis steigender Aktien gegenüber rückläufigen Aktien an. Der hierfür benutzte Indikator ist der McClellan Volume Summation Index. Mehr Informationen zu diesem Indikator finden Sie hier.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

McClellan Volume Summation Index

Der Markt setzt sich aus Tausenden von Aktien zusammen. Und an jedem beliebigen Tag kaufen und verkaufen die Anleger diese aktiv. Bei dieser Messung wird die Menge oder das Volumen der Aktien an der NYSE, die steigen, mit der Anzahl der Aktien, die fallen, verglichen. Ein niedriger (oder sogar negativer) Wert ist ein Zeichen für eine Abwärtsbewegung. Der Fear & Greed Index verwendet ein abnehmendes Handelsvolumen als Signal für Furcht.

Junk Bond Demand - Die Nachfrage nach Schrottanleihen

Hier wird die Spanne zwischen den Renditen von Investment-Grade-Anleihen und sogenannten Junkbonds gemessen.

Zurzeit fordern die Investoren in Junkbonds 1,98 Prozentpunkte zusätzliche Rendite gegenüber Investment-Grade-Anleihen. Investment-Grade-Anleihen sind Anleihen bester bis mittlerer Bonität. Historisch gesehen ist dieser Spread zwar niedrig, aber trotzdem deutlich höher als das jüngste Niveau und deutete darauf hin, dass die Investoren risikoscheuer geworden sind.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Rendite Spread: Junkbonds vs. Investment Grade

Junk-Anleihen sind im Vergleich zu anderen Anleihen mit einem höheren Ausfallrisiko verbunden. Die Anleiherenditen – oder die Rendite, die man für eine Investition in eine Anleihe erhält, sinken, wenn die Kurse steigen. Wenn Anleger Junk-Bonds nachfragen, sinken die Renditen. Umgekehrt steigen die Renditen, wenn die Anleger verkaufen. Ein geringerer Unterschied (oder Spread) zwischen den Renditen von Schrottanleihen und sichereren Staatsanleihen ist also ein Zeichen dafür, dass die Anleger mehr Risiko eingehen. Ein größerer Abstand deutet auf mehr Zurückhaltung hin. Der Fear & Greed Index verwendet die Nachfrage nach Ramschanleihen als Signal für Gier.

Die Entwicklung des Fear and Greed Index über die Zeit

Als der S&P 500 (SPX) am 17. September 2008 – dem Höhepunkt der Finanzkrise – auf ein Dreijahrestief fiel, sank der Index für Angst und Gier auf 12. Der Index gewann etwas an Boden und erreichte 28, bevor die Aktien am 9. März 2009 die Talsohle erreichten und die jüngste Hausse begann.

Man kann hier erkennen, dass der Index ein guter Indikator für die jeweiligen Höchst- und Tiefststände des S&P Index ist.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Fear and Greed Index im Big Picture

Wann notierte der Fear and Greed Index zuletzt bei 1?

Der Fear and Greed Index notierte zuletzt am Extrempunkt von 1 am 12.03.2020.

Am 12.03.2020 rauschte der US-Aktienindex Dow Jones angesichts der Coronavirus-Krise weiter ungebremst in die Tiefe. Der Index verlor knapp zehn Prozent und verzeichnete damit den schwersten Einbruch seit 33 Jahren. Der Verlust lag bei rund 2350 Punkte und stand nach Handelsschluss bei etwa 21.200 Punkten. Das war der stärkste Verlust seit dem Börsencrash vom Oktober 1987. Fast ebenso starke Verluste erlitten der Technologie-Index Nasdaq und der Leitindex S&P 500.

Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Die Coronavirus-Krise sorgte am 12.03.2020 für einen Indexstand von 1 beim Fear and Greed Index. Dieser notierte hier somit an seinem Tiefpunkt.

Fazit zum Fear and Greed Index

Der Fear and Greed Index findet nicht umsonst eine hohe Betrachtung und gibt einen schnellen, sowie umfassenden Einblick über die aktuell vorherrschende Emotion am Markt.

Bei einer extremen Angst am Markt sollte man sich frei machen und geduldig auf mögliche Kaufkurse warten. Sobald der Index unter 18 fällt, kann oft mit einer ersten Bodenbildung gerechnet werden.

Eine extreme Gier sollte zur Vorsicht aufrufen und weitere Käufe gut überdacht werden. Ein Wert über 90 kann ein guter Indikator für eine mögliche Topbildung sein.

Doch sollte hier einfach nicht blind gekauft oder verkauft werden. Dieser Index ist, wie jeder andere Indikator auch, nur ein Hilfsmittel und kann zusätzliche Hinweise liefern.

Zudem ist der Index kostenlos abrufbar und tagesaktuell verfügbar. Gerade in Phasen der Übertreibung sollte man den Index nicht aus dem Auge lassen.

Das Original dieses Textes ist auf den Seiten von Kagels-Trading erschienen. Vielen Dank an Karsten Kagels, dass wir diesen Beitrag auf unserer Webseite veröffentlichen dürfen. Weitere Texte von ihm findest Du hier.

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