Wie sinnvoll ist eine Cash-Reserve?

Eine Cash-Reserve bringt nichts

Michael Kissig
Michael Kissig
5. Dezember 2022
Lange hielt Michael Kissig Geld in seinem Anlagevermögen vor, um bei Kursrückgängen nachkaufen zu können. Nach 30 Jahren Börsenerfahrung und viel Lektüre hat er seine Strategie geändert. In einem zeitlos lesenswerten Beitrag, der während der Anfangsphase der Corona-Pandemie im März 2020 erschien, erklärt er warum es klüger ist, immer voll in den Markt investiert zu sein.

Ich bin inzwischen seit gut 30 Jahren an der Börse aktiv und habe meinen Investmentstil seit meinen Anfängen erheblich verändert. Aus meiner Sicht weiterentwickelt, weg vom kursgetriebenen, eher kurzfristig orientierten Anleger hin zu einem Value und Quality Investor.

Seit einiger Zeit habe ich nun wachsende Zweifel an einer meiner seit vielen Jahren bestehenden Investmentgrundsätze und musste sogar feststellen, dass ich ihn schon länger nicht mehr konsequent befolge. Höchste Zeit also, mich zu disziplinieren oder aber den Ursachen auf den Grund zu gehen. Oder beides. Das Ergebnis, meine Selbsterkenntnis ist, dass ich mich - erneut - weiterentwickelt habe. Ob ich meinen Investmentstil auch verbessert habe, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

Aber es geht natürlich nicht um einen Trial-and-Error-Feldversuch, sondern ich habe die Argumente sorgsam gegeneinander abgewogen und - zu meiner Erleichterung - am Ende die besseren Argumente auf meiner (neuen) Seite. Oder mit Churchills Worten: "Dass ich meine Meinung geändert habe, ändert nichts an der Tatsache, dass ich immer noch Recht habe". ツ

So, nun aber zum Eingemachten: bei meinem Umdenken geht es um die Cash-Quote und die Frage, ob das dauerhafte Halten einer hohen Cash-Quote, um bei starken Kursrückschlägen günstig Aktien einsammeln zu können, wirklich besser ist, als stets weitgehend investiert zu sein, sowohl im Börsenaufschwung wie auch im -absturz. Und dabei geht es mir nicht um Market-Timing, das gleich vorab, sondern um ganz pragmatische Überlegungen und Erfolgsaussichten, um langfristig höhere Renditen einzufahren.

(Meine) Vorgeschichte

Ich war Jahr(zehnt)e lang ein Verfechter einer erhöhten Cash-Quote und das nicht aus einem Bauchgefühl heraus, sondern aus eigener erlebter Erfahrung. Oder frei nach Kostolany "überlebter" Erfahrung.

Erfahrungen sind die vernarbten Wunden unserer Dummheit

Japanische Weisheit

Ich habe in meiner Börsengeschichte schon so manchen Börsenboom und so manchen Kursabsturz miterlebt. Den "Schwarzen Montag" am 19. Oktober 1987 habe ich nur am Rande mitbekommen, denn damals begann ich gerade erst damit, mich für die Börse zu interessieren. Ich hatte dementsprechend kaum Aktien (und natürlich auch kaum Kapital). Zwei Jahre später, am 16. Oktober 1989, stürzte der DAX erneut ab und ich war bei dem 13-Prozent-Einbruch dabei. Mitte 1990 folgte ein erneuter massiver Einbruch, als Saddam Husseins Irak in Kuwait einmarschierte und es besetzte. Die starke Erholungsrallye setze erst ein halbes Jahr später ein, als die US-geführten Alliierten aus "Desert Shield" den "Desert Storm" entfachten und ohne nennenswerten Widerstand innerhalb weniger Wochen die damals zweitgrößte Armee der Welt vernichteten. In der Folgezeit stiegen die Kurs wieder an, aber es gab immer wieder harte Abstürze. Ob nun der Putsch in der Sowjetunion gegen Gorbatschow, die Tigerstaaten-Krise, die Pfund-Krise und wie sie alle hießen. Nicht zu vergessen der historische Niedergang der Japanischen Börse Anfang der 1990er Jahre.

Zu dieser Zeit waren wir alle offline; es gab noch kein Internet, keine Emails, keine Smartphones, kein Video-Streaming, kein Whatsapp. Viele dieser heute so normalen Dinge war weder erfunden noch erträumt, doch es gab erste Ansätze. Und die führten zu einem lang anhaltenden Börsenaufschwung, in dem  Telekommunikation und Internetdienste den Ton angaben. Und zu einer bisher ungeahnten Börsenhausse führten. Umsatz war der neue Gewinn, denn getreu der "New Economy" brauchte niemand mehr Gewinne, Unternehmen schon gar nicht. Tja, diese neue - und wieder einmal falsche - Denkweise führte irgendwann zum Platzen dieser gigantischen Blase. Und neben der NASDAQ stürzten auch der DAX ab mit dem Schwergewicht Deutsche Telekom. Und natürlich der "Neue Markt".

An der Börse bilden sich regelmäßig Blasen

Ich habe den Kursanstieg voll mitgenommen. Und den Kursabsturz auch. Beides auch gehebelt über Wertpapierkredite. Und ich habe natürlich auch Verluste begrenzt und Aktien aus dem Depot geschmissen - doch wie viele andere habe ich nicht erkannt, dass der Abschwung substanzieller war und länger anhielt. Daher habe ich in den Kursabsturz hinein immer wieder neue Positionen aufgebaut, die dann zu weiteren Verlusten führten. Wenig hilfreich dabei war, dass ich immer wieder Teile des schnell schrumpfenden Cash-Bestands zur Tilgung des Wertpapierkredits verwenden musste. Wer es genauer wissen möchte, kann dies meinem selbstkritischen Artikel "Ein Margin Call? Das ist ja wohl das allerletzte... Warnsignal!" nachlesen. Warren Buffetts Warnung, niemals auf Kredit zu spekulieren, kannte ich damals noch nicht. Aber ich hätte sie wohl auch ignoriert, denn als Mittzwanziger kann man sich kaum vorstellen, mal so richtig falsch zu liegen und nicht alles zu wissen. Damals hätte mich "die Meinung eines alten Mannes" wohl kaum interessiert... ツ

Als dann endlich alles vorbei zu sein schien und sich die Lage an den Aktienmärkten stabilisierte, krachten die beiden Flugzeuge in das World Tade Center und stürzten die Welt in eine globale Rezession. Und die Börsen in einen weiteren Abwärtsstrudel; diesmal auch die Substanzwerte.

Meine (damalige) Lehre hieraus: Halte immer ausreichend Cash in der Hinterhand

Diese Episode zwischen 2000 und 2003 hat mich viel Geld gekostet, viel mehr, als ich in den Boom-Jahren zuvor "verdient" hatte. Benjamin Graham war mir damals noch kein Begriff und auch nicht sein Credo, zuerst an die Sicherheit zu denken und erst im Anschluss an die Renditechancen.

In den folgenden Jahren waren wieder schöne Gewinne einzufahren an der Börse und ich war mit dabei. Zurückhaltender, geläuterter. Ich hatte damit begonnen, mich mehr mit dem Investieren selbst zu beschäftigen und mich zu einem "ernsthaften" Investor zu entwickeln, der die Dinge viel stärker hinterfragt, als ich das zuvor getan habe, und der seinen Schwerpunkt auf das Studieren und Auswerten der Geschäftsberichte legt.

Bis 2008 stieg mein Cashflow auch schön und stetig an, dank (m)einer Mietimmobilie. Ein fast 500 Jahre altes Wohn- und Geschäftshaus in zentraler Lage einer sächsischen Mittelstadt, das ich über die Jahre immer Stück für Stück saniert habe. Auf Kredit. Was bei festverzinslichen Immobilienkrediten natürlich etwas ganz anderes ist, als bei einem Wertpapierkredit. Jedenfalls bis 2008, als die Finanz- und Immobilienkrise losbrach - und meine Kredite aus der Zinsbindung liefen und die Bank die Kredite nicht verlängern wollte. Und konnte. Da sie selbst mit dem Rücken zur Wand stand. Lange Rede, kurzer Sinn: nach zwei Jahren hartem Kampf musste ich die Immobilie - mit erheblichem Verlust - veräußern. Und noch ordentlich Geld nachschießen, um die Kredite ablösen zu können. Was zulasten meiner Lebensversicherung ging und zu einem nicht geringen Teil leider auch aus Wertpapierverkäufen. Zu einem Zeitpunkt, wo man als Value Investor Aktien kaufte, nicht verkaufte. Aber ich hatte keine Wahl...

Ich hatte nichts

Ich zog aus diesen Erfahrungen meine Lehren: keine Immobilien mehr (jedenfalls nicht direkt, allenfalls über börsennotierte Immobilien-AGs), keine Kredite mehr und immer reichlich Investmentkapital in der Hinterhand behalten für günstige Gelegenheiten.

Folge den Lehren der Börsengurus

Passend zu meinen Erfahrungen und meinen daraus gezogenen Lehren kamen mir Warren Buffett und Charlie Munger zu diesem Thema auf den Schirm. Ihre Aussagen bestätigten mich in meiner (früheren) Meinung, dass Liquidität langfristig die Rendite bringt. Und auf den ersten Blick besticht der Gedanke durch Schlichtheit und Einfachheit: stürzen die Kurse ab, kauft man mit der Cash-Reserve günstig Aktien und erfreut sich am danach folgenden Kursaufschwung. Extrarendite leicht gemacht! Aber so (einfach) ist es eben nicht, weil es in der Praxis (mindestens) zwei Stolpersteine gibt, die diese bestechend einfache Theorie schrotten.

In der Theorie sind Theorie und Praxis gleich. In der Praxis nicht.
Yogi Berra

Ich lese ja eine Menge und auch gerne und häufig Bücher über das Investieren. Dabei kamen mir auch Werke von Philip CarretKen Fisher oder Peter Lynch in die Finger und sie vertreten abweichende Positionen. Das regte mich zum Nachdenken an und nährte meine wachsenden Zweifel an der Richtigkeit meiner Schlussfolgerungen. Warren Buffett selbst emanzipierte sich von Benjamin Graham und entwickelte sich weg vom Deep Value-Investing hin zum Quality Investing. Ich folge zunehmend Buffett und Munger, doch ich folge nicht stur ihrem Weg, sondern mache mir auch andere Ansichten zunutze. Wie die von Philip A. Fisher. Und in einem Punkt erscheint mir das Vorgehen von Buffett und Munger nicht optimal und zwar hinsichtlich ihrer Vorliebe, einen größeren Cash-Bestand in der Hinterhand zu halten für besondere Kaufgelegenheiten. Zumal selbst Buffett Cash als "die schlechteste Investition" bezeichnet.

Der Nachteil des Cash-Hortens

Der Nachteil der Idee zeigt sich in der praktischen Anwendung. Wann sich an der Börse günstige Einstiegsmöglichkeiten ergeben haben, zeigt sich immer erst in der Rückschau. Dann kann man genau bestimmen, wann man seinen Cash-Bestand hätte einsetzen sollen für die größtmögliche Extrarendite. Aber so läuft es nicht. In der Realität erkennt man einen deutlichen Kursrücksetzer erst dann, wenn es passiert ist. Und ob sich daraus ein Crash entwickelt, sieht man auch erst, wenn es passiert ist.

So wie Anfang 2016 oder im März 2018, da gab es heftige Kurseinbrüche, aber die Kurse erholten sich relativ schnell wieder. Dann folgte der Oktober 2018 und es ging wieder heftig bergab. Und die nächsten beiden Monate nochmals stark. Ohne Gegenwehr. Wer Anfang November nach dem ersten Rutsch nachgekauft hatte, lag schnell zweistellig im Minus. Und aus heutiger Sicht wissen wir, dass das "nicht schlimm" war, denn die Kurse haben sich fulminant erholt und machten 2019 zu einem der besten Börsenjahre aller Zeiten und Mitte Februar erreichten viele Indizes neue Allzeithochs. Trotzdem standen viele Anleger, vor allem Profis, noch immer mit hohen Cash-Beständen an der Seitenlinie und warteten auf Einstiegskurse. So viele, dass Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock vor einem "Melt-up" warnte, also einem liquiditätsgetriebenen Kursschub nach oben.

Anleger verloren weitaus mehr Geld, weil sie sich auf eine Korrektur vorbereitet haben oder versuchten, eine Korrektur vorauszusehen, als in den Korrekturen selbst an Geld verloren wurde.
Peter Lynch

Und im März 2020? Dieses Mal soll alles anders gewesen sein? Die Börsen brechen ein wegen des Corona-Virus und überall wird Panik geschürt und zum Verkauf von Aktien geraten. Cash müsse man haben, sagen die, die bereits panikartig verkauft haben, und sie schleudern gerne Horror-Kursziele für Dow und DAX in die Runde, weil sie natürlich darauf hoffen, dass die Kurse weiter fallen und sie nicht als emotionsgetriebene Deppen dastehen. Verständlich. Aber für Langfristinvestoren überhaupt kein Grund, Mitleid mit ihnen zu haben!

Langfristig werden die Aktienmärkte für gute Nachrichten sorgen. Im 20. Jahrhundert durchlebten die USA zwei Weltkriege und weitere traumatische und teure militärische Konflikte. Eine Depression, mehrere Rezessionen, Börsenpaniken, Ölschocks, Virenpandemie und den Rücktritt eines Präsidenten. Dennoch stieg der Dow Jones von 66 auf 11497.
Warren Buffett

Also... ist es wirklich sinnvoll, immer Cash zu halten? Irgendwann muss man dieses Geld ja auch einsetzen und wenn man zu früh einsteigt, erleidet man doch (erstmal) Buchverluste. Doch den richtigen Einstiegszeitpunkt erwischt man nie, das weiß jeder, der ein paar eigene Erfahrungen an der Börse gesammelt hat. Daher erzielt man auch kaum die theoretisch mögliche Maximalrendite: bricht der Markt um 50% ein, bietet er im Anschluss 100% Kurspotential, nur um das alte Niveau wieder zu erreichen. Doch niemand steigt am Top aus und am Tief wieder ein - die 100% sind also nicht real. Die wirklich erzielte Extrarendite liegt irgendwo dazwischen. Und wenn man "erst" nach 20% Kursverlust aussteigt, und auch "erst" wieder nach 20% Erholungsrallye, liegen zwischen Aus- und Einstiegskurs nicht mehr so viele Prozentpunkte.

Trotzdem sieht das nach einer sicheren Sache aus. Doch hier muss ich leider Warren Buffetts berühmte Opportunitätskosten ins Feld führen. Denn die ganze Zeit zwischendurch liegt das Cash ja auf irgendeinem Konto herum - und erzielt keine oder nur wenig Rendite. Diese "fehlende" Rendite muss man in seine Überlegungen mit einbeziehen, wenn es um die Frage geht, ob man mit einem dauerhaften, signifikanten Cash-Bestand oder eher (fast) voll investiert besser fährt.

Die schlechteste Investition, die du haben kannst, sind Barmittel. Alle reden davon, dass Cash King ist, aber Geld wird im Laufe der Zeit immer weniger wert sein, während gute Unternehmen mit der Zeit mehr wert sein werden.
Warren Buffett

Mein neuer renditeträchtigerer Ansatz: Sei immer voll investiert!

Mein neuer provokativer Gedanke ist daher: Verzichte auf Cash, sei immer voll investiert! Und damit meine ich nicht das Notfall-Cash von ein paar Monatsgehältern für Notfälle oder nötige Anschaffungen, sondern eine Cash-Quote innerhalb des Anlagevermögens!


Und für meine neue Position gibt es natürlich auch handfeste Gründe. Wie Ken Fisher ausführt, steigen Aktien in 62% aller Monate (und der Blick auf den Langfristchart des Dow Jones zeigt das ja auch).

Langfristig geht es an der Börse nur bergauf
Historisch gesehen entwickeln sich Aktien in 62 Prozent der Kalendermonate positiv. Anleger sollten also mehr Angst haben, dass sie die Anstiege des Marktes verpassen, als dass sie einen Crash erleben.
Ken Fisher

Die Wahrscheinlichkeit von steigenden Kursen ist also signifikant größer als die von fallenden. Und die deutlich einbrechende Märkte, also Kursabschläge von mehr als 10%, finden noch seltener statt. Daher gibt es immer nur wenige Gelegenheiten, seinen gehorteten Cash-Bestand einzusetzen. Und diese Gelegenheiten muss man dann auch erkennen, während sie gerade auftreten, und dann auch konsequent nutzen. Und das grenzt schon bedenklich an Market-Timing.

Man benötigt kein perfektes Timing, um überragende Renditen zu erzielen. Zeit im Markt schlägt Timing des Marktes. ("Time in the market beats timing the market")

Ken Fisher

Market-Timing kostet Geld/Rendite, weil es kaum einer erfolgreich über längere Zeit hin bekommt. Auch Peter Lynch hält Market Timing für reine Zeitverschwendung, weil niemand in der Lage sei, die Börsenkurse vorherzusagen.

Und für mich stellt sich die Frage nach einem besseren Timing auch gar nicht, denn ich bin ja überzeugter Buy & Hold-Investor. Buy & Hold ist der vielversprechendste, der richtige Ansatz, denn Erhebungen zeigen, dass Depots, die am wenigsten umgeschichtet werden, auf längere Sicht die besten Ergebnisse bringen. Des Weiteren bergen Aktieninvestments ab einer Anlagedauer von 12 Jahren statistisch gesehen kein Verlustrisiko mehr.

Ich halte niemals Barmittel, denn Barmittel aufzubauen würde bedeuten, aus dem Markt auszusteigen. Meine Vorstellung ist es, für immer im Markt zu bleiben und Aktien abhängig von der fundamentalen Lage umzuschichten.
Peter Lynch

Wenn man also auf Market-Timing verzichtet und einen Buy & Hold-Ansatz verfolgt, dann sollte man am besten immer annähernd voll investiert sein! Klar, man nimmt in schwachen Phasen und auch Crashs die volle Breitseite mit und verzeichnet in diesen Phasen überdurchschnittlich hohe Buchverluste, aber diese Phasen sind vergleichsweise kurz, die Börsen holen sie erfahrungsgemäß relativ schnell wieder auf und die Phasen, in denen die Aktien unterm Strich steigen, sind häufiger und länger. Wer in den steigenden Börsenphasen nicht voll investiert ist, verschenkt mehr Geld, als er in schlechten Phasen "gewinnt" bzw. an Buchverlusten einspart.

Unterm Strich also eine rechnerisch klare Angelegenheit: Halte kein Cash, sei immer voll investiert! Psychologisch ist das natürlich eine große Herausforderung, jedenfalls in taumelnden Märkten.

Ich halte also keine "bewusste" Cash-Quote bzgl. meines Investitionskapitals mehr; der Cash-Aufbau "passiert" nur durch "normale" Verkäufe von Aktien und Dividenden, wenn sich dann gerade keine günstigen Kaufgelegenheiten bieten.

Ich habe nicht genug Gefühl dafür, wann ich Bargeld anlegen soll, deshalb ist unser gesamtes Vermögen immer in Aktien angelegt.
Philip Carret, Gründer des Pioneer Fonds

Ist dieses mal alles anders?

Nein, Geschichte wiederholt sich, auch Börsengeschichte. Ich habe keine neue Weisheit entdeckt, ich habe keine neue Wirtschaftstheorie ins Feld zu führen, sondern "nur" eine Veränderung meiner Anlagestrategie. Und diesem Umstand liegt durchaus eine erhebliche Veränderung zugrunde. Aber nicht die Umstände, sondern diese Veränderung betrifft mich und meine Persönlichkeit. Ich bin nicht mehr der Anleger, der ich vor 20 Jahren war. Obwohl ich immer noch in Wachstumswerte investiere, aber heute investiere ich in Quality Investments, wo Umsatzwachstum mit starken und steigenden Cashflows einhergeht und mit Gewinnwachstum.

Baissephasen, vor denen Aktienbesitzer so viel Angst haben, verblassen im Kontext des Aufwärtstrends der Aktienrenditen.
Jeremy S. Siegel
An der Börse kann nur Erfolg haben, wer langfristig entspannt anlegt
Daher kann ich auch Kursverluste "bequem(er)" aussitzen, da ich an ein Qualitätsunternehmen beteiligt bin und nicht an Geld verbrennenden Startups. Meine neue Entspanntheit hat sich Ende 2018 gezeigt, als auch mein Aktiendepot schmerzliche Kursverluste hinnehmen musste. Und ich zum ersten Mal in meinem Börsenleben ganz locker damit umgehen konnte.
Es braucht drei Bärenmärkte, um zu wissen, was zu tun ist. Der erste löscht dich fast aus, im zweiten lernst du zu überleben und den dritten packst du am Genick und genießt es.
Crispin Odey

Naja, "genossen" habe ich den Kurssturz nicht. Ich habe einige meiner Investments aufgelöst und in die Qualitätsunternehmen umgeschichtet, von denen ich mir sicher war/bin, dass sie auch eine Krise und den absehbaren Konjunktureinbruch in der ersten Jahreshälfte 2020 gut überstehen werden. Dass sie nicht an Liquiditätsmangel eingehen und dass ihr ökonomischer Burggraben (Moat) sie und ihre starken Cashflows schützt. Und die am besten noch über hohe Cash-Bestände verfügen, die ihnen in der Krise helfen, ihr Business am laufen zu halten, Probleme ohne unnötigen Druck angehen und ggf. trudelnde Konkurrenten übernehmen oder innovative Wettbewerber erwerben zu können. Unternehmen, die ich in meiner "Stars of Cash-Strategie" genauer beschrieben habe.

Ich fühlte mich Ende 2018 sicher und war relativ entspannt, weil ich an diesen tollen Unternehmen beteiligt war und eben nicht nur irgendwelche Aktien im Depot hatte. Und genauso fühle ich mich auch jetzt angesichts der Corona-Krise und der vor uns liegenden Unsicherheiten.

Hilfreich war dabei sicher auch, dass ich nicht von den Einnahmen aus dem Börsengeschäft abhängig bin, sondern (auch hier) Warren Buffetts Rat beherzige und mehrere Einkommensquellen habe. Eine Zeit lang habe ich früher mal einen Teil meiner Lebenshaltungskosten durch erzielte/ realisierte Gewinne aus meinen Aktiengeschäften bestritten, was einen zusätzliche (und unnötige) "Dringlichkeit" in die Sache bringt, wenn die Börsen über einen längeren Zeitraum schwächeln. Diese "Baustelle" habe ich abgearbeitet und so einen weiteren Baustein zu meiner "neuen Gelassenheit" hinzugefügt. Und diese neue Gelassenheit ist es auch, die mich zum Umdenken gebracht hat hinsichtlich meiner Cash-Quote.

Ich bin davon überzeugt, dass man langfristig viel mehr Rendite erzielt, wenn man voll investiert ist und bleibt, als wenn man ständig mit einer hohen Cash-Quote den vermeintlichen Schnäppchen hinterher jagt, die man dann, wenn es wirklich mal Ernst wird, doch nicht kauft - aus Angst.

Vielen Dank an Michael Kissig, dass wir seinen Text für unsere Webseite verwenden dürfen. Weitere Texte von Michael Kissig findest du hier.

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