Christian Thiel |
Immobilien sind eine beliebte Geldanlage. Viele rechnen sich jedoch sowohl die reale Rendite als auch die Kosten schön. Auch nachdem die Preise zurückgegangen sind, kann es immer noch ein Fehler sein, in Betongold zu investieren.
Neulich in einer Paarberatung: Bernd (42) erzählt von seinem wunderbar billigen Haus. Er zahlt nur 900 Euro, sagt er. Wow. Glückwunsch!
Man muss begeisterten Immobilienbesitzern nicht alles glauben. Natürlich hat er mir nur den Betrag genannt, den er an die Bank bezahlt. Wie hoch sind denn die Nebenkosten (Heizung, Müllabfuhr, Grundsteuer)? Oder sind die bei den 900 Euro schon mit eingerechnet? Natürlich nicht. Und die Instandhaltungsrücklage? Aber nein, auch nicht.
Nun sind wir schon bei 1.700 Euro, die ihn sein Haus kostet und damit ziemlich weit von den 900 Euro entfernt, von denen er zu Anfang mit leuchtenden Augen sprach. Und dabei sind mit Sicherheit noch immer nicht alle Kosten berücksichtigt. Die Kosten für den Kauf eines Hauses zum Beispiel (Makler, Grunderwerbssteuer, Notar, Grundbucheintragung). Diese Kosten können bis zu 10% der Kaufsumme ausmachen. Fehlt jetzt immer noch etwas?
Streng genommen heißt die Antwort: Ja. Mein Klient hat beim Kauf 120.000 Euro an Eigenkapitel aufgebracht, Geld, das ich als Aktienbesitzer in den letzten Jahren im Aktienmarkt hatte. Und dort hat es eine Rendite erwirtschaftet. Mittlerweile bringen auch Staatsanleihen wieder Geld ein und er könnte rund 3% für sein Geld bekommen. Bei der Höhe seines Eigenkapitals wären das immerhin 3.600 Euro im Jahr – oder 300 Euro im Monat.
Immobilienbesitzer neigen dazu, regelmäßig Geld in ihre Immobilien zu stecken
Fehlt jetzt immer noch etwas? Aber ja! Mein Klient hat mir gerade erst von der neuen Pergola erzählt, die er gebaut hat. Seine Frau hat sie sich gewünscht – und hat sich anschließend nicht einmal gefreut. Du merkst schon: Bernd ist aus guten Gründen in die Paarberatung gekommen. Irgend etwas stimmt nicht zwischen ihm und seiner Frau Simone.
Die Kosten seiner letzten Baumaßnahme: Rund 1.000 Euro und rund 20 Arbeitsstunden. Die Kellertreppe muss Bernd demnächst auch noch instand setzen. Das alles kostet Zeit und es kostet Geld. Und das alles rechnet kein Haubesitzer dieser Welt ernsthaft in Heller und Pfennig aus.
Immobilienbesitzer neigen dazu, viel Geld in ihre Immobilien zu stecken. Das Bad könnte schicker aussehen, die Küche muss neu gemacht werden und, und, und. Das alles sind Kosten, die sie bei den 900 Euro, von denen sie bei Familientreffen und im Freundeskreis erzählen, nicht berücksichtigen.
Bernd ist mit seiner Immobilie sehr zufrieden. Er will so leben. Simone dagegen würde gerne ein Haus kaufen, das deutlich größer, schicker und teurer ist. An dem Punkt können die beiden sich nicht einigen. Das Geld für so ein Upgrade haben die beiden eindeutig nicht. Simone fordert etwas, was ganz offensichtlich nicht zu bezahlen ist. Wie schon erwähnt: Mein Klient sitzt zwar als glücklicher Immobilienbesitzer vor mir, aber als ein unglücklicher Ehemann. Simone kann mit dem, was sie hat nicht glücklich sein.
Lohnt sich eine Immobilie?
Die meisten unabhängigen Beraterinnen und Berater sind sich einig: Sie muss sich nicht lohnen. Eine selbstgenutzte Immobilie ist eine Lifestyle-Entscheidung. Punkt.
Aber die Rendite! Nun ja, wie hoch die Rendite meines Klienten ausfallen wird, sollte er eines Tages verkaufen, das weiß derzeit noch niemand. Die vergangenen zehn Jahre mit stets steigenden Preisen verleiten viele Menschen dazu, von weiter steigenden Preisen zu träumen. Ist das wirklich realistisch?
Wie die Rechnung für die letzten 12 Monate aussieht (Stand: September 2023), das wissen wir. Immobilien haben sich um rund 10% verbilligt – bei aktuell 6% Inflation. Das ergibt ein reales Minus von immerhin 16%.
Wie weit es noch nach unten geht bei den Immobilienpreisen kann niemand mit Sicherheit sagen. Hat Bernd Pech, dann sind die Immobilienpreise im Keller und er muss trotzdem verkaufen. Weil es zu einer Scheidung von Simone gekommen ist.
Die Renditen der letzten 50 Jahre sind auch bekannt. Da kamen Immobilien nach Abzug der Inflation, also real, auf 0,3% pro Jahr. Mehr nicht. Das erklärt der Finanzexperte Dr. Gerd Kommer.
In seinem Video bei Finanztip erläutert er, warum der Immobilienmarkt noch lange fallen kann, warum wir glauben, dass Immobilien eine gute Geldanlage sind, und warum uns ab 2030 demographisch bedingt möglicherweise ein Markt erwartet, auf dem ein hohes Angebot an Immobilien auf eine abnehmende Nachfrage trifft.