Gerd Kommer und Christian Thiel im Gespräch

Soll ich mir (jetzt) eine Immobilie kaufen? (2)

Christian Thiel

Christian Thiel

26. November 2023

Ein Haus kaufe man für die Lebenszufriedenheit und nicht, um damit Geld zu verdienen. Das kann schiefgehen. Wie eine Immobilie unglücklich machen kann.

„Eine Immobilie kauft man doch nicht wegen der Rendite“, hat ein Leser als Kommentar auf meinem Blog grossmutters-sparstrumpf geschrieben. „Eine Immobilie steigert das Lebensglück.“ Ich bin in beiden Punkten etwas anderer Meinung. Nichts höre ich in der Beratung so oft, wie die Behauptung, eine Immobilie rechne sich. Und ich höre diese Ansicht von hochintelligenten und studierten Menschen.

Nehmen wir zum Beispiel Karin (42). Sie ist studierte Betriebswirtin und hat sich zusammen mit ihrem Mann für den Kauf eines Hauses entschieden. Weil es sich rechnet, wie sie sagt. Knapp drei Jahre nach dem Kauf konnten die beiden endlich in ihr Haus einziehen. Doch da hatten sie bereits eine schwere Ehekrise. Einen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen sieht Karin allerdings nicht.

Immobilien können unglücklich machen

Und damit sind wir beim zweiten Punkt meines Lesers: Immobilien werden seiner Überzeugung nach gekauft, weil sie zufrieden machen. Doch das ist falsch. Immobilien werden gekauft, weil wir annehmen, dass sie unser Lebensglück vergrößern. Und in genau diesem Punkt irren wir uns in vielen Fällen.

Karin wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass der Kauf eines Hauses und seine Sanierung ihre Ehe gefährden und in eine schwere Krise führen kann. Ich schon.

Immobilien steigern das Lebensglück? Kann passieren. Kann aber auch ganz anders ausgehen. Als Berater sehe ich regelmäßig Singles und Paare, die sich im Zusammenhang mit einer Immobilie unglücklich gemacht haben. Heute soll es um die Gründe gehen, warum Immobilien nicht zwingend zufrieden machen – sondern auch unglücklich machen können. Können, nicht müssen.

Hier kommen die wichtigsten Möglichkeiten.

Erstens

Wer Single ist und damit auf Partnersuche, der sollte flexibel sein. Gut möglich, dass der passende Partner 50 Kilometer entfernt wohnt (oder mehr) und dass das zukünftige Paar sich eine gemeinsame Bleibe suchen muss, will es eines Tages zusammenziehen. Wie passt eine Immobilie dann in die Lebensplanung? Schlecht. Die Sache ist ganz einfach und erklärt sich schon durch das Wort selber: Eine Immobilie macht immobil. Sie ist bei der Partnersuche wie ein Klotz am Bein.

Eine Immobilie engt den Suchradius ein und reduziert so die Kandidatinnen oder Kandidaten für eine Partnerschaft deutlich. Es kann noch schlimmer kommen: Soll der zukünftige Partner oder die zukünftige Partnerin auch in das gemachte Nest einziehen, sind die Probleme bei der Suche noch größer. Das will nämlich kaum jemand. Und so engt sich der Kreis der in Frage kommenden Partner noch einmal drastisch ein. Die Folge: Die Suche dauert erheblich länger. Oder endet gar erfolglos.

Wer Single ist, verschlechtert also mit dem Kauf einer Immobilie seine Chancen auf eine gute und stabile Partnerschaft. Ein Trost für alle Hausbesitzer: Sind Sie bereit, zugunsten der Partnerschaft ihr Haus aufzugeben und ein gemeinsames Nest zu beziehen, erhöht das die Chancen bei der Suche.

Zweitens

Paare sollen sich ein gemeinsames Nest bauen – so lautet eine wichtige Regel. Männer mit Haus sind deshalb nicht sehr gefragt. Frauen mit Haus auch nicht. Das hat auch mit den Gründen zu tun, weshalb viele Männer alleine in einem Haus leben – sie haben es mal mit Ihrer Frau gebaut und eingerichtet. Und dann kam die Trennung.

Zieht die neue Frau doch zum Mann, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie damit unglücklich wird. Es ist sein Haus. Sie darf nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen, ohne dass er kritisch schaut. Zudem begegnet sie seiner Ex und ihrem Gestaltungswillen an jeder Ecke des Hauses.

Im Grundbuch steht derweil – er. Kommt es schlimm, dann steht er da immer noch zusammen mit seiner Ex-Frau.

Drittens

Häufiger als Singles machen sich Paare mit einer Immobilie unglücklich.

Ein junges Paar kommt in die Beratung. Es hat sich ein Haus gebaut und hat damit eine anstrengende Zeit hinter sich – und steht nur ein Jahr nach dem Einzug ins neue Haus kurz vor der Trennung. Erstaunlich? Nicht unbedingt. Als Berater sehe ich oft Paare, die das anstrengende Abenteuer eines Hausbaus hinter sich haben – und unglücklich sind. Wie kann eine Immobilie seine Besitzer in so kurzer Zeit unglücklich machen?

In der Zeit des Hausbaus wird die Zuwendung zum Partner drastisch beschnitten. Man hat keine Zeit füreinander – und keine Energie. Der Partner oder die Partnerin wird vernachlässigt, es gibt kaum persönliche Gespräche und auch die Sexualität wird sehr viel seltener. Die Zeit wird nun für anderes gebraucht. Außerdem ist man für Sex jetzt oft auch viel zu geschafft – bei all dem Stress! Und wozu auch, denkt das Paar – wir lieben uns doch! Ein folgenschwerer Irrweg. Liebe besteht im Kern aus dem Füreinander-da-sein. Unterbleibt das, leidet die Liebe.

Viertens

Und dann ist da noch der Stress. Für Karin und Ralf hat der Stress sich durch die Entscheidung für den Hauskauf drastisch erhöht. Beide haben anstrengende Berufe. Und die beiden haben zwei Kinder. 1 ½ Jahre nach dem Kauf war das Haus bei weitem noch nicht fertig saniert. Karin war jeden Tag über Stunden auf der Baustelle. Und dann kam der Moment, in dem ihre Ehe an den Rand des Scheiterns geriet.

Karin hatte sich über Rolf geärgert. Sie hat ihn (vor den Kindern) zischend und voller Verachtung ein „blödes Arschloch“ genannt. Ralf ist ausgerastet und hat Karin wütend (vor den Kindern) geohrfeigt. Anschließend ist er aus dem Haus gestürmt. Die Nacht hat er bei einem Freud verbracht. Die beiden haben ihren Stresspegel durch den Hauskauf und die entsetzlich aufwändige und teure Sanierung des Altbaus extrem erhöht. Schon vorher war mit zwei Jobs und zwei Kindern (4 und 7 Jahre alt) schon genug los bei den beiden. Jetzt aber war es die Hölle.

Zudem war aus dem billigen Schnäppchen (nur 300.000 Euro plus 300.000 Euro für die Kernsanierung) eine ziemlich teure Immobilie geworden. Die Rechnung lag am Ende bei 860.000 Euro. Was das mit den beiden macht? Es erhöht den Stresspegel.

Manchmal wird schon vor oder kurz nach dem Einzug ins neue Heim die Krise offenbar: Das erhoffte Glück stellt sich nicht ein. Und das Paar hat sich nun daran gewöhnt, dass es auch mit wenig Zuwendung geht. Und mit wenig Sex. So verharrt es oft eine zeitlang in diesem unglücklichen Zustand – bis einer der beiden die Chance zu einem Seitensprung wahrnimmt. Und das erhoffte Glück im eigenen Heim entpuppt sich als Seifenblase. Es zerplatzt. Die Basis der Partnerschaft ist durch die mangelnde Zuwendung brüchig geworden. Und die Untreue hat den Rest dazu beigetragen, die Partnerschaft schwer zu schädigen. Oft so schwer, dass keine ‚Reparatur’ mehr möglich ist.

Fünftens

Oft folgen Paare bei ihrem Wunsch, ein Haus zu bauen, gesellschaftlichen Vorstellungen. Ein Haus zu bauen gehört einfach dazu. Alle machen es. Und angeblich macht es auch alle glücklich. Und so erwartet ein Paar Wunderdinge von dem Einzug ins neue Heim. Doch was passiert: Nichts. Oder die Stimmung ist nur für kurze Zeit gehoben und dann so wie zuvor.

Immobilien machen zwar erwiesenermaßen Arbeit und kosten Zeit und Geld – sie machen aber nicht dauerhaft glücklich. Das ergibt sich aus der Forschung zu diesem Thema. Wir gewöhnen uns schnell an die Vorteile der neuen Wohnlage. Das nennt die Wissenschaft „hedonistische Adaption“. Dieses Phänomen trübt das Glück über ein neues Haus ebenso schnell wie die Freude über einen Millionengewinn in der Lotterie oder eine Gehaltserhöhung. Wir gewöhnen uns umgehend an das, was wir haben.

Die erhoffte dauerhafte Glücksstimmung aufgrund einer Immobilie ist also nicht möglich. Wird sie aber von den Beteiligten erwartet, dann fühlen sich am Ende möglicherweise beide betrogen. Doch – betrogen von wem? Die Schuld wird in dieser Situation oft dem Partner gegeben. An wem sonst sollte es liegen, dass die große Freude nicht anhält?

Sechstens

In aller Regel baut oder kauft ein Paar ein Haus oder eine Wohnung, weil es Kinder hat. Es braucht mehr Platz. Kinder setzen das Zeitbudget eines Paares ohnehin unter Druck. Wann bleibt Zeit für Freunde? Wann Zeit für Sport? Wann Zeit für den Partner? Junge Eltern sind in aller Regel ohnehin schon in einer schwierigen Lage und deshalb anfällig für Missstimmungen. Kein Wunder: Leben sie doch mit maximalem Stress. Erhöht sich der Stress nun noch einmal durch das Projekt „Hausbau“, ist die Stimmung schnell gänzlich dahin.

Apropos Kinder. Ein Hauskauf geht in der Regel auch mit einem Umzug weg aus der gewohnten Umgebung einher. Diese Veränderung müssen auch die Kinder gut bewältigen. Das ist oft nicht ganz einfach. Sie verlieren Freunde, müssen sich in neue Schulen eingewöhnen. Und das alles führt bei den Eltern (wieder einmal) zu Stress.

Siebtens

Ein Hauskauf führt häufig zu Geldknappheit. Zwar wird im Vorfeld geplant und gerechnet, aber am Ende wirft in aller Regel irgendein unvorhergesehenes Ereignis den Plan über den Haufen. So wie bei Karin und Ralf. Es entstehen zusätzliche Kosten. Plötzlich muss gespart werden. Der lange nötige Erholungsurlaub fällt den Sparmaßnahmen zum Opfer, ebenso das gewünschte neue Auto. Was auch immer es im Einzelfall ist, was die Sparmaßnahmen erfordern – finanzielle Probleme setzen Paare zusätzlich unter Druck. So kann eine Immobilie ein Paar sehr frustrieren.

Achtens

Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Durch die hohen Kosten, die eine Immobilie nach sich zieht, sind viele Paare nach dem Kauf oft regelrecht arm. Karin und Ralf verdienen gut und hatten vor dem Hauskauf 350.000 Euro auf dem Konto bzw. in verschiedenen Geldanlagen liegen. Jetzt liegen dort noch 20.000 Euro. Sollte Ralf sich beruflich verändern wollen (und genau darüber denkt er derzeit nach) lastet jetzt ein riesiger Druck auf ihm. Er muss jetzt Monat für Monat zuverlässig 5.000 Euro nach Hause bringen. Sonst gerät die Finanzierung der Familie aus dem Lot. Viele Männer verharren der Immobilie zuliebe auf (sicheren) Arbeitsplätzen, auf denen sie unzufrieden sind. Auch das hat ein hohes Potential, eine Ehe unglücklich zu machen.

Meine Zwischenbilanz: Eine Immobilie ist eine Lifestyle-Entscheidung. Ihre Rendite ist eher gering, und das darf auch so sein. Sie kann die Zufriedenheit von Menschen erhöhen. Wir neigen allerdings dazu, die möglichen Nachteile eines Hauskaufes auszublenden.

Bei alledem war jetzt noch nicht einmal von einem der größten Risiken bei Immobilien die Rede: Der Scheidung. Darum werde ich mich im dritten Teil der Serie zu Immobilien kümmern. Da erwarten dich noch sechs weitere Wege, wie eine Immobilie unglücklich machen kann. Kann. Nicht muss.

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