Christian Thiel |
Keine Aktie ist davor gefeit - dem Drawdown. Wenn es mal so richtig in den Keller geht. Ein Blick auf die Geschichte von vier scheinbar erfolgsverwöhnten Aktien.
Aktien steigen mittel- und langfristig. Zumeist steigen sie über deutlich längere Zeiträume, als dass sie fallen. Doch manchmal fallen sie auch heftig. Das nennt man Drawdown. Diesen Drawdown kann man messen.
Der Drawdown ist der eigentliche Grund, warum Aktien einen höheren Return erzielen als Staatsanleihen. Würden Aktien stets und immer von links unten nach rechts oben steigen, ohne Unterbrechung, würde jeder in sie investieren. Da sie aber immer wieder mal fallen, müssen sie Anlegerinnen und Anlegern mehr bieten. Mehr Return.
Ich will heute vier bekannte Aktien und ihren Drawdown im Chart zeigen: Apple, Microsoft, Nvidia und Amazon.
Die erste Aktie, um die es gehen soll, ist die von Apple. Die Aktie hat von minus 80%, minus 60%, minus 40% und minus 30% schon alles gesehen. Ich selbst habe mehrfach die minus 40% mitgemacht.
Auffällig am Chart ist: Der Drawdown bei Apple ist seit 2004 gefallen. Anlegerinnen und Anleger mussten also weniger aushalten. Das bedeutet für die Zukunft leider nichts. Gerät ein Unternehmen in eine Krise (und das kann auch Apple passieren), dann können die Kurse sich halbieren. Und mehr.
Zum Trost für alle, die der Drawdown einer Aktie frustriert, ist oberhalb des Charts für den prozentualen Verlust (immer gemessen vom letzten Hoch) der Aktienkurs selbst und seine Entwicklung zu sehen. Sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus für die Aktie von Apple. Wer die Nerven behalten hat, der wurde mit der Apple-Aktie reich.
Ich persönlich stehe derzeit mit den ersten gekauften Apple-Aktien aus 2012 mit weit über 1.000 Prozent im Plus. Der Kurs hat sich mehr als verzehnfacht. Dividenden gab es noch dazu.
Einen ausgesprochen verstörenden Drawdown hat die Aktie von Microsoft zu bieten. Vom Jahr 2000 bis ins Jahr 2014 gab es kein neues Hoch. Zudem ging es in dieser Zeit um satte 70% nach unten.
Im Jahr 2013 kam der Wechsel zum neuen CEO – und die Aktie drehte sehr deutlich nach oben ab. Für die Zukunft ist das keine Garantie. Das kann jederzeit wieder passieren.
Jetzt kommt der Chart von Nvidia, dem Überflieger der letzten 15 Monate. Auffällig hier: Die beiden letzten Korrekturen gingen um 55% und dann um rund 65% nach unten. Der Drawdown ist hier zuletzt also sogar höher ausgefallen. Wer die aktuelle Diskussion um das Unternehmen verfolgt, der kann den Eindruck bekommen, die Aktie müsse für die nächsten Jahre und Jahrzehnte unablässig steigen. Ohne jede Korrektur. Ich sehe das anders.
Mir fehlt wirklich jede Phantasie, wie es Nvidia gelingen sollte, in Zukunft ohne Korrektur durch die Turbulenzen des Marktes und durch die Turbulenzen der technologischen Entwicklungen zu kommen.
Natürlich weiß auch ich nicht, wann die Aktie ihre nächste Korrektur erlebt. Das kann schon nächste Woche passieren oder erst in einigen Jahren. Abschläge von 20% wie in den letzten Wochen zählen hierfür nicht.
Als ich die Aktie gekauft habe, habe ich nur ein Prozent des Depots auf sie verwandt (derzeit nimmt sie 6,9% ein). Bei Aktien wie Nvidia ist immer mit einem Verlust von zumindest 50% zu rechnen. Immer.
Kann man jetzt noch Nvidia kaufen? Klar kann man das tun. Aber man sollte im Hinterkopf behalten, dass man bei einer Schwäche der Aktie nachkaufen kann und nachkaufen sollte. Ich bin also nicht so sehr für all-in. Sondern lieber etwas vorsichtig.
Wer die Aktie von Amazon im Jahr 2002 gekauft hat, der hat alles richtig gemacht. Wer sie hingegen im Jahr 2000 gekauft hat, der hat mit ihr über 90% Drawdown erlebt. Das ist heftig.
Seither bewegt sich die Aktie ruhiger. Amazon war die erste Aktie, bei der ich lernen musste, mit 30% Abschlag gelassen umzugehen. Und nicht zu verkaufen. Auffällig ist, dass die letzte Korrektur Amazon um über 50% nach unten geführt hat. Das gab es bei Amazon zuletzt im Jahr 2009.
Derzeit leben wir in einer Phase des AI-Booms. Microsoft notiert derzeit zu einem KGV (englisch: PE) von immerhin 37. Das ist hoch und lässt reichlich Raum für Enttäuschungen. Diese Phasen der Enttäuschung werden bei allen vier genannten Aktien wieder kommen. So ist die Welt erfolgreicher Einzelaktien nun mal.
Morgan Housel hat das in einem Text mit dem schönen Titel The agony of high returns ganz wunderbar auf den Punkt gebracht. Jeder möchte (angeblich) eine überragende Aktie mit einem überdurchschnittlichen Return im Depot haben. Doch dafür müssen wir auch mit einem überdurchschnittlichen Drawdown leben, wenn es gerade schlecht läuft. Oder auch nur etwas weniger gut (wie derzeit bei Apple).